Die Tour beginnt im Kopf

 

Schreibtischarbeit

Jede Tour beginnt am Schreibtisch. Die Planung für eine Langstreckenwanderung ist natürlich komplexer als für eine Zehntagestour und füllt bei mir mittlerweile drei Aktenordner: Korrespondenz mit Fjällstationen und Hotels, um den Paketversand zu organisieren, Internetrecherchen zu Unterkünften und Öffnungszeiten, Loipeninfos, Prospektmaterial von Outdoorherstellern, Bus- und Zugfahrpläne, Fährverbindungen, meine eigenen in Excel erstellten Planungsunterlagen etc. etc. Dann muss die Planung umgesetzt werden: Kartenblätter bestellen, die Etappen im Detail ausarbeiten, Gemüse trocknen, Pakete packen, die Ausrüstung komplettieren und so weiter.

Drei wichtige Teilbereiche der Planung, Routenwahl,   Ausrüstung und Ernährung sind auf gesonderten Seiten vorgestellt. Und was braucht man noch? Trainig, Erfahrung, die richtige Einstellung und natürlich: Mantras, Mantras, Mantras…

Training

Regelmäßiges körperliches Training ist unabdingbar, will man den hohen Belastung einer winterlichen Langtour gewachsen sein. Zentraler Aspekt dabei ist die aerobe Ausdauer, Schnelligkeit spielt keine Rolle, und Kraft nur dann, wenn man erhebliche Gepäckmengen von 70 kg oder mehr bewegen muss. Man muss sich nicht auf kurzzeitige Extremleistungen vorbereiten, sondern darauf, täglich sieben bis zehn Stunden auf den Beinen zu sein, mit einem Schnitt von ca 3-4 km/h. Die Ausdauer ließe sich sicher auch gut durch Radfahren oder Schwimmen trainieren, doch das liegt mir nicht so. Ich tue also das nahe Liegende und laufe mindestens viermal die Woche durch den Hagener Stadtwald, der praktischerweise fast direkt vor meiner Haustür beginnt. Ich habe verschiedene Trainingsstrecken zwischen zehn und 15 km, in die ich möglichst viele Anstiege eingebaut habe (ca. 500 Höhenmeter in der 10-km-Runde und 750 m in der 15-km-Runde). Da ich nur ein vergleichsweise geringes Pulkagewicht von max. 35 bis 45 kg ziehen werde, verzichte ich auf ein spezielles Krafttraining. Um die Arme zu trainieren, die beim reinen Lauftraining zu kurz kommen würden, nehme ich immer Nordic-Walking-Stöcke mit, die ich vor allem an den Steigungen einsetze.

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Erfahrung

Ein weiterer Aspekt des Trainings ist der Umgang mit der Ausrüstung. Nur Erprobtes gehört ins Gepäck, das gilt insbesondere für wichtige Gegenstände wie Kocher, Zelt und Biwaksack. Im Winter kann es zur Überlebensfrage werden, dass man das Zelt auch bei Starkwind, im Dunkeln und mit Fausthandschuhen aufbauen kann. Es vor der Tour einmal im Garten aufstellen ist eine gute Übung, reicht aber nicht aus. Am besten lässt sich die nötige Erfahrung auf den Touren selbst sammeln. Also: Unterwegs nicht über schlechtes Wetter ärgern, sondern über die guten Trainingsbedingungen freuen! In diesem Sinne –Wind und Nebel ohne Ende – ist meine letzte Testtour in der Hardangervidda im April 2006 optimal verlaufen. Es versteht sich von selbst, dass der versierte Umgang mit Karte und Kompass ein absolutes Muss ist. Ein GPS kann praktisch sein (ich habe eines dabei), doch sollte man immer in der Lage sein, seinen Weg auch daohne zu finden. Denn GPS-Geräte können kaputt gehen, oder die Batterien machen schlapp, oder die Amerikaner fangen wieder einen Krieg an und stören die Satellitensignale…

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Mentale Vorbereitung

Mindestens ebenso wichtig wie die körperliche Fitness ist die geistige Einstellung: Wenn es etwa darum geht, bei 25 Grad minus noch vor Sonnenaufgang aus dem mollig warmen Schlafsack zu kriechen, allein im Zelt einen Schneesturm auszusitzen oder tagelang bei Sauwetter und ohne Sicht durch den Schnee zu stapfen, ist die Kondition das geringere Problem. Man darf sich nie durch die äußeren Bedingungen seine Motivation und den Spaß an der Sache nehmen lassen.

Das heißt aber keineswegs, das man alles locker sehen sollte: Eine winterliche Fjälltour ist kein Spaziergang und birgt zahlreiche Risiken, die aber beherrschbar sind, wenn man sich mit ihnen bereits im Vorfeld bewusst und ohne Selbstüberschätzung auseinandersetzt. Potentielle Gefahrensituationen sind z.B Lawinen, offenes und brüchiges Eis, Schneestürme, Erfrierungen, oder steile Abfahrten mit viel Gepäck. (Die Kategorien »wilde Tiere« und »böse Menschen« kann man dagegen in Skandinavien getrost vernachlässigen). Um solche Gefahren zu erkennen, gilt es, sich stets aufmerksam durch das Gelände bewegen, die eigenen Fähigkeiten (und Grenzen) realistisch einschätzen und im Falle eines Falles auch bereit zu sein, umzukehren, Umwege zu gehen bzw. eine Etappe abbrechen, eine Schutzhütte aufzusuchen oder Einheimische um Rat und Hilfe zu fragen.

Da meine Langtour einen ganzen Winter dauert, kann ich mit Sicherheit davon ausgehen, dass ich in den »Genuss« sämtlicher Wetterlagen kommen werde, die das Fjäll zu bieten hat, also z.B. auch Schneemangel, extreme Kälte bis -40 C°, große Neuschneemengen, die das Fortkommen extrem behindern, Tau- und Regenwetter, Stürme und im schließlich im Frühjahr die Schneeschmelze, d.h. Sulz- und Faulschnee sowie aufbrechendes Eis. Sich dies samt den möglichen Konsequenzen und Handlungsalternativen von vornherein klarzumachen, hilft nicht nur bei der Zusammenstellung der Ausrüstung, sondern trägt (hoffentlich) auch dazu bei, Enttäuschungen zu vermeiden und das Unvermeidliche gelassener zu zu nehmen.

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Barbaras Tourenmantras

Und last but noch least: Ein wichtiges, ja unabdingbares mentales Rüstzeug für winterliche Fjälltouren sind Mantras. Nachfolgend stelle ich meine Tourenmantras kostenlos zur Verfügung. Sie sind allesamt praxiserprobt und haben ihre Wirksamkeit unter den härtesten Bedingungen unter Beweis gestellt. Diese Mantras sollten sorgfältig memoriert und bei gegebenem Anlass aus dem Langzeitgedächtnis hervorgeholt werden.

 

Gutes-Wetter-Mantra:

Auf die Berge will ich steigen/,
Wo die dunklen Tannen ragen,
Bäche rauschen, Vögel singen,
Und die stolzen Wolken jagen

Lebet wohl, ihr glatten Säle!
Glatte Herren, glatte Frauen!
Auf die Berge will ich steigen,
Lachend auf euch niederschauen

(Heinrich Heine)

 

Schlechtes-Wetter-Mantra:

Drei Chinesen mit dem Kontrabass... (ad infinitum)

 

 

Die-nächste-Hütte-ist-noch-weit-Mantra: I:

The woods are lovely, dark and deep,
But I have promises to keep
And miles to go before I sleep,
And miles to go before I sleep.

(Robert Frost)

 

 

Die-nächste-Hütte-ist-noch-weit-Mantra II:

 

It's a long way to Kvikkjokk, it's a long way, to go, to go ... (Das wird jeder bestätigen, der einmal durch das Njåtjosvagge aus dem Sarek herausgelaufen ist).

 

 

Die-Hütte-ist-zu-und-der-DNT-Schlüssel-passt-nicht-Mantra:

 

Kein Spaziergang ist das Leben. (Boris Pasternak)

 

 

Orientierung-im-Nebel-Mantra:

 

Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück. (Wladimir Lenin)

 

 

Orientierungslos-im-Nebel-Mantra:

 

Toto, mir schwant, wir sind nicht mehr in Kansas.
(Frank L. Baum, Der Zauberer von Oz)

 

 

Universal-Allzweck-und-der-Benzinkocher-ist-auch-kaputt-Mantra:

 

Nach Norwegien, nach Norwegien,
Laß mich meinen Fuß bewegien,
Wo der Fels gen Himmel schreit,
Wo der Ocean sich brandet,
Wo der Lotse fröhlich strandet,
Und von fern - der Hetla speit -
Dahin, Alter, laß mich ziehn.

(Ludwig Eichrodt)

(Dank an Rudi, der mir dieses besonders vielseitige Mantra geschenkt hat).

 

Sollen-wir-die-Schlafsäcke-koppeln-Mantra:

 

Eiskalte Hand, mir graut vor dir. (Herbert Grönemeyer)

 

 

Zeltkoller-Mantra:

 

Schneeflöckchen, Weißröckchen...

 

 

Windstärke-zehn-Mantra:

 

Heideldideidel...

 

 

 

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