Sonntag, 16. April 2006

Lundhaukenutane-Halne-Midnutvatnet

8 Gehstunden, 18 km

Heute bringe ich den bisher windigsten Zeltabbau hinter mich. Bis nach Halne begleitet mich der gewohnte Rückenwind, und obendrein geht es ständig bergab. Bald erreiche ich die Straße von Eidfjord nach Haugastøl, die ich queren muss. Es taut merklich, die Straße ist schneefrei und ich trage Pulka und Ski um. Nach einer kleinen Trinkpause ziehe ich für den kommenden Anstieg die Felle auf.

Heute ist mein vorletzter Tag, und ich möchte so weit wie möglich kommen, um morgen ohne Stress und nicht allzu spät Finse, das Ziel meiner Rundtour, zu erreichen. Dieser letze Abschnitt der Wanderung führt östlich um den mächtigen Hardangergletscher herum. Dabei muss ich nicht nur ca. 300 Höhenmeter aufsteigen, sondern im unebenen Terrain zahllose Schuttkegel und Moränenhügel übersteigen, was mit der Pulka recht anstrengend ist. Und nun hat offensichtlich auch das Wetter beschlossen, mir die Laune zu verderben (was natürlich nicht gelingt): Die Temperaturen steigen auf ca. +5 C°, es wird so neblig, dass ich gerade bis zum nächsten gesteckten Birkenzweig sehen kann, kräftiger Schneefall setzt ein und zu allem Überfluss dreht sich der Wind und bläst mir nun direkt ins Gesicht. Durch das Tauwetter wird die Harschdecke unter dem Neuschnee weich, und ich sinke bei jedem Schritt bis zum Knie ein. Ich bin froh, dass ich als Gepäckminimalistin (und weil ich die meisten Lebensmittel schon aufgefüttert habe) nur noch etwa 20 kg in der Pulka habe, sonst wäre sie bei diesem weichen Schnee wohl nicht mehr von der Stelle zu bringen. An der Kraekkja-Hütte mache ich eine Mittagspause und tauche dann wieder im Nebel ab. Nur einmal, am Finnsbergvatnet, kommt kurz die Sonne heraus, und ich bewundere die wellenartigen Strukturen, die der Wind auf See und Berghänge gezaubert hat. Ansonsten stochere ich bei schlechter Sicht im Pappschnee herum, hangle mich von Markierung zu Markierung und und wühle mich schließlich im Zeitlupentempo das Bachtal zum Midnutvatnet hoch.

Wie sehr der Wetterumschwung mein Fortkommen beeinflusst, zeigt die Statistik dieses Tages: Für die 5 km vom Zeltplatz bis Halne brauche ich nur eine Stunde, für die nächsten 4 km von Halne nach Kraekkja zwei Stunden, für die 7 km von Kraekkja zum Ostende des Finnsbergvatnet drei Stunden, und dann laufe ich, zum »krönenden« Abschluss, die letzen 2 km bis zum Midnutvatnet in zwei Stunden. Alles in allem nur 18 km in acht Stunden harter Arbeit.

Eigentlich hatte ich vor, heute noch den höchsten Punkt vor Finse zu erreichen, den Brattefonnvatnet auf knapp 1400 m.ü.M., aber jetzt habe ich die Faxen dicke. Es ist mittlerweile 19:30 und starke Böen kommen auf. Ich muss den markierten Weg verlassen und ein ganzes Stück zurückgehen, um einen Felsen zu finden, der zumindest etwas Windschutz bietet. Die Böen sind so heftig, dass zwei Schneeheringe wieder herausgerissen werde. Die Gestängebögen werden bedrohlich eingedrückt, und um ein Haar verliere ich das Zelt. In Gedanken entwerfe ich bereits Plan B (Biwak in einer Schneegrube) und tröste mich damit, dass es ja zumindest nicht kalt ist. Direkt hinter dem Felsen liegt kaum Schnee, so dass die Heringe nicht halten und ich auch Ski oder Stöcke als Halterung nicht tief genug eingraben kann. Schließlich gelingt es mir aber, die Kopfseite des Zelts mit einer 15 m Reepschnur zu befestigen, die ich einmal komplett um den Felsen herumführe. Einmal rundum abgespannt, steht das Zelt wie hingehämmert. Es ist mittlerweile fast neun Uhr und ich bin zu müde für eine große Koch-Aktion. Ich schmelze nur Teewasser und esse mein restliches Knäckebrot, Käse und Schokolade. Alle Ausrüstungsgegenstände bis auf Schuhe, Kleidung, Isomatte und Schlafsack verpacke ich direkt wieder in der Pulka, damit kein Chaos ausbricht, wenn heute Nacht das Gestänge schlapp machen sollte.

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